Mittwoch, 31. Oktober 2012

Sean Penn ist Botschafter für die Kokapflanze

Den Post können Sie auch auf Spanisch lesen: http://latinodada.blogspot.de/

An Dienstag, den 30.10.2012 wurde Sean Penn vom bolivianischen Präsidenten Evo Morales der Titel eines "Botschafters für die Kokapflanze" verliehen.
Sean Penn und Evo Morales, Foto: ambito.com
Penn wurde auch gebeten, sich in Zukunft als Vermittler für die bolivianischen Forderungen nach einem Zugang zum Meer einzusetzen. Die bolivianische Pazifikküste war im Jahr 1884 durch einen Krieg mit Chile verloren gegangen.
Bolivianische Kunst für den zweifachen Oskargewinner, Foto: La Razon
Der Hollywood-Star wird sich darüber hinaus bei der US-Regierung für die Auslieferung des ehemaligen bolivianischen Präsidenten Gonzalo Sancchez de Lozada, genannt Goni, einsetzen. Seit dessen Regierung im Jahr 2003 gestürzt wurde, lebt er im nordamerikanischen Exil. Alle Versuche Boliviens, eine Auslieferung zu erreichen, sind bisher fehlgeschlagen. Goni wird angeklagt, in seinem Heimatland den Befehl gegeben zu haben, auf Demonstranten mit scharfer Munition zu schießen. Im Oktober 2003 starben 64 Menschen als das Militär eine Straßenblockade von Regierungsgegnern durchbrach.

Hier ein Video über den ersten Besuch von Sean Penn in Bolivia, vor acht Monaten. Leider nur auf Spanisch. Es dokumentiert das erste Zusammentreffen zwischen Sean Penn und Evo Morales. Der Schauspieler warb damals um Unterstützung für die Erdbebenopfer in Haiti.


Penn unterhält auch sehr gute Kontakte zum venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez, was ihm in seiner Heimat auch viel Kritik eingebracht hat. Das Verhältnis der US-Regierung zu Venezuela ist schon seit Jahren äußerst angespannt.
Hugo Chavez und Sean Penn, Foto: liveleak.com
Was haltet Ihr vom Engagement Sean Penns in Südamerika? Sollte Koka Eurer Meinung nach legalisiert  werden? Kann Penn überhaupt etwas erreichen?

Montag, 29. Oktober 2012

Wilhelm (Wilm) Hosenfeld - Der Retter des Pianisten

„Heute wieder ein Aktivist und ein 16-jähriges Mädchen. Aber es war aus beiden nichts
herauszukriegen. Vielleicht kann ich das Mädchen retten (...) Ich versuche, jeden zu retten, der zu retten ist (...) Ich bin nicht der Mensch dazu, solche Untersuchungen zu führen, wenigstens nicht mit der Herzlosigkeit, die hier angewendet wird. Und doch bin ich dankbar, dass ich das machen muss, denn ich kann doch Manches noch gutmachen.“
[Wilhelm Hosenfeld in einem Brief an seine Familie, 23.08.1944]

Am 13. August 1952 verstarb Wilhelm Hosenfeld im Alter von 57 Jahren in einem Kriegsgefangenenlager. Alle Versuche seiner Familie und der von ihm geretteten Frauen und Männer, ihn aus der sowjetischen Gefangenschaft frei zubekommen, waren erfolglos geblieben. Auch der berühmteste Überlebende, Wladislaw Szpilman, der vielen aus dem Film "Der Pianist" bekannt ist, konnte das Militärtribunal nicht von der Unschuld Hosenfelds überzeugen.

Elf Jahre zuvor waren diese Heldentaten noch nicht absehbar. Wilhelm Hosenfeld, geboren 1895 in Mackenzell bei Fulda, war ein begeisterter Anhänger Hitlers, trat 1933 in die SA und 1935 in die NSDAP ein. Er organisierte nationalsozialistische Kundgebungen wie den "Tag des deutschen Volkstums".
Familie Hosenfeld in den 1930er Jahren, Foto: Archiv Familie Hosenfeld
Doch seine Meinung vom "Führer" änderte sich grundlegend, als der Zweite Weltkrieg begann und der Massenmord an den Juden endgültig in seiner ganzen Brutalität entfesselt wurde. Nach Polen in eine Wachkompanie versetzt erlebte er die Einrichtung des Warschauer Ghettos und schreibt in sein Tagebuch:

"Mit diesem entsetzlichen Judenmassenmord haben wir den Krieg verloren. Eine untilgbare Schande, einen unauslöschlichen Fluch haben wir auf uns gebracht. Wir verdienen keine Gnade, wir sind alle mitschuldig. Ich schäme mich, in die Stadt zu gehen, jeder Pole hat das Recht, vor unsereinem auszuspucken. Täglich werden deutsche Soldaten erschossen, es wird noch schlimmer kommen, und wir haben kein Recht, uns darüber zu beschweren. Wir haben's nicht anders verdient."

Und Wim Hosenfeld handelt: Er versorgt jüdische und polnische Verfolgte mit falschen Papieren, organisiert Verpflegung und stellt sogar einige von ihnen als Mitarbeiter in der von ihm betreuten Sportschule ein. Die genaue Zahl der von ihm Geretteten ist nicht bekannt. Es waren mindestens zwölf, wahrscheinlich mehr als 30 Menschen, die er vor dem sicheren Tod bewahrte.  Einer von ihnen war Wladislaw Szpilman, dessen autobiographischer Roman "Tod einer Stadt" im Jahr 2002 als von Roman Polanski als "Der Pianist" verfilmt wurde.
Wladislaw Szpilman in den 1930er Jahren, Foto: wikipedia
Kurz nach der Befreiung Polens durch die Rote Armee wurde Hosenfeld gefangengenommen und erst einmal nach Minsk gebracht. In mehreren Verhören beteuert er seine Unschuld, doch die neuen Machthaber glaubten ihm nicht. Die Verhöre und die Isolationshaft konnten Hosenfelds Optimismus nicht brechen, richteten ihn jedoch physisch zugrunde. Er erlitt mehrere Schlaganfälle und starb schließlich in einem Kriegsgefangenenlager bei Stalingrad.

Ausschnitt aus dem Film "Der Pianist". Wladislaw Szpilman (Adrien Brody) spielt Chopins "Cis Moll Nocturne" für Wilhelm Hosenfeld (gespielt von Thomas Kretschmann):
 „Unter entsetzlichen Schmerzen wird etwas Neues, Größeres und Schöneres geboren. Es gibt auf der Welt keinen Untergang, keinen Tod ohne Hoffnung auf Auferstehung. […] Der einzelne Mensch wird ausgelöscht, aber die Menschheit wird weiterleben, und ich glaube, sie wird besser und schöner aus der Katastrophe hervorgehen. Darum lohnt es zu leben und zu hoffen.“ (Brief Hosenfelds an seine Frau, 16.3.1944)




Dienstag, 23. Oktober 2012

Muse - The 2nd Law

Hullaballoo - so hieß 2002 das erste offiziell gefilmte Live-Konzert der Band aus dem Le Zénith de Paris. Eine Drei-Mann-Band im klassischen Stil: Gitarre, Schlagzeug, Bass. 
Im Jahr 2013 hat sich das ein wenig verändert. Warum 2013? Weil Muse uns immer ein Stück voraus sind. Zunächst einmal scheint alles beim Alten: Die Band spielt immer noch in großen Hallen, es sind noch eimmer sehr viele junge Fans, sogar viele Teenager, die die Texte einfrig mitsingen, zumindest in England.
Foto: radio21.de
Gleiches trifft auch auf das neue Album The 2nd Law zu: Matthew Bellamy eröffnet mit einem wuchtigen Gitarrensound, läßt jedoch nach wenigen Sekunden keinen Zweifel mehr darüber aufkommen, dass er sich an einer, sagen wir mal, differenzierten Instrumentierung versuchen möchte. Mit Erfolg. Na klar, man mag schon mal den vergangenen Tagen der Jugend nachtrauern, als Muse auf einer kleinen Nebenbühne bei Rock am Ring spielten, sie ein Geheimtip waren ... und man sie eben wie ein Teenager verehrte. Wir sind aller älter geworden. Muse sind es auch. Sie waren mit dem letzten Album "The Resistance" auf Platz 1 in 19 verschiedenen Ländern (jedoch nicht in den USA) und Bassist Christopher Wolstenholme, sechsfacher Vater, nach vielen erfolglosen Anläufen endlich der Alkoholsucht entkommen.
Die Special Edition von "The 2nd Law" enthält eine DVD mit Filmen zur Entstehung des Albums. Muse hatten ja den offiziellen Olympiasong 2012 beigesteuert (Survival - auch auf dem Album) und glänzten als Mainact bei der Abschlussveranstaltung der Spiele. 
Nun kann man auf der DVD sehen, wie Matthew Bellamy mit verschiedenen Chorformationen und einem Kammerorchester diesen bombastischen Sound einstudierte. Zu sehen ist auch Schlagzeuger Dominic Howard, wie er professionell eine  Riesentrommel mit 2,40 Meter Durchmesser bedient, die mit ihrer Klangkraft das Studio zum Schwingen bringt, nur um in der nächsten Einstellung zu zeigen, wie er die wenigen aber sehr gelungenen klassischen Schlagzeugparts einspielt.
Trotzdem: Ein bißchen Angst hatte man schon, als man die CD erstmals abspielte. Wird sich die Band Muse, so wie schon viele vor ihnen, in der perfekten Inszenierung verlieren? Aber trotz all der "Technik" (wie man die Arrangements ignorant bezeichnen könnte) hat das Album Klasse. Es ist nicht so wie bei U2's PoP, wo der absolute Wille zur Coolness einfach nur uncool war. Die Drei scheinen wirklich noch Lust zu haben, zusammen ein bißchen rumzujammen und eben auch ein paar neue Instrumente auszuprobieren. So zum Beispiel den coole Sound von Madness (2. Lied), der mit einem so genannten Kitara-Bass erzeugt wird.
Schaut Euch dafür bitte das folgende Video an. Klickt jedoch erst bei der 44. Sekunde rein:
Und Matthew Belamy mag U2. Jetzt kommts raus. Das ist nicht weiter schlimm, konnte man auf Frühwerken wie "Origin of Symmetry" und "Absolution" jedoch nicht erwarten. Auf 2nd Law gibt es einen wahren Discro-Kracher - "Follow me" - Nur leider hört er sich am Schluss wie "Where the streets have no name" von U2 an. 
Aber allein das Stück "Big Freeze" ist Grund, sich "The 2nd Law" zu kaufen. Und das sind sie auch schon wieder: Unsere wilden böse Post-Grunge- Jungs. Vielen Dank Muse, dass Ihr mit uns gealtert seid! Ihr seid zum Glück nicht so uncool geworden wie wir.

P.S. Lied Nr. 10 und 11 singt Bassist Christopher Wolstenholme, der sie auch komponiert hat. Matthew Bellamy hatte aufgrund der Geburt seiner Tochter dieses Mal "nicht genug Zeit zum Komponieren".
Nr. 12 und 13 sind zwei Belamy-Experimentiersongs. Die Kreativität dieses Mannes ist noch lange nicht ausgeschöpft.


Montag, 22. Oktober 2012

Los Kjarkas live in Bonn am 19. Oktober 2012

Diesen Post können Sie/könnt Ihr auch auf Spanisch lesen. Hier ist der link!
Für einen Bolivianer, der nicht seit zwanzig Jahren in Kiel, München oder Köln wohnt, mag es unverständlich sein, für einen Deutschen erst Recht. Der Security-Mann jedenfalls, war darauf nicht vorbereitet. Er hatte ein Folklorekonzert erwartet - von irgendeiner südamerikanischen Band. Und dann hat er nur noch völlig verwundert ins Publikum geguckt, wo die Fans jede einzelne Strophe mitsangen.
Foto: Fummelmond
30% Gringos und 70% Bolivianer, Ecuatorianer (sehr lautstark) und Peruaner. Bestimmt waren auch Chilenen dabei. Der Kampf um einen guten Platz an der Bühnenabsprerrung war unerbittlich, dann musste man anderthalb Stunden warten. Unglaublich: Als es halb zehn war, dachte man schon, dass sie nicht kommen würden. Doch dann ging es plötzlich los. Und der Unmut über die lange Wartezeit war vergessen. Niemanden interessierte es mehr, warum die Band aus der drittgrößten bolivianischen Stadt, Cochabamba, zu spät auf die Bühne kam. Um die Aufmerksamkeit des Publikums mußten sich Kjarkas jedenfalls nicht bemühen. Seit 40 Jahren produzieren sie Lieder, insgesamt mehr als 400. Viele von ihnen sind zu Klassikern der "Wessis" geworden - der größte Teil ihrer Fangemeinde rekrutiert sich aus den Bewohnern der Andenregionen im Westen Südamerikas.
Ihre Lieder handeln von der harten, rauen und mythischen Andenregion; sie beschreiben Abschied und Tod - und natürlich die Liebe. Manche Texte mögen den europäischen Zuhörer bisweilen etwas schwülstig anmuten, aber sie werden durch diese wunderbare Musik getragen, die noch wesentlich mehr zu bieten hat, als traurige Liebeslieder: Alle vier bolivianischen Tanzgruppen, die an der Organisation der Kjarkas-Konzerte in Deutschland beteiligt waren, durften auf der Bühne für die Showeinlagen sorgen.

Begonnen haben Kjarkas mit einem ihrer schönsten Lieder: Munasquetay:
Los Kjarkas sind nicht mehr die Jüngsten - zumindest nicht die Gründungsmitglieder, aber ihre Musik brachte am 19. Oktober alle 900 Besucher des Brückenforum zum Tanzen. Es war vor allem ihr Abend - der Abend der Menschen, die fern ihrer Heimat leben. Kjarkas sind ihre Band. Viele der Zuhörer sind mit dieser Musik aufgewachsen. 
Die Band spielte zwei Stunden. Alle Hits wurden mit teilweise sehr rockigen Posen vorgetragen. Das südamerikanische Temperament bricht hervor und erstirbt plötzlich, als für einen kürzlichen verstorbenen Tänzer eine Trauerminute eingelegt wird. Die Emotionen kochen an diesem Abend noch viele Male hoch. Der Security-Mann hat alle Hände voll zu tun, um die Groupies von der Bühne fernzuhalten. Doch spätestens beim Genuss der ersten richtigen Saltenha seit 10 Jahren (3 Euro pro Stück) wurde auch der unterkühlteste Gringo zum Fan von Los Kjarkas!

Sonntag, 21. Oktober 2012

Repair Café

Das alte Radio funktioniert nicht mehr, hängt einem jedoch noch immer so am Herzen, dass man sich kein neues kaufen möchte. Der Kostenvoranschlag für den kaputten Receiver ist teurer als die eigentliche Reparatur? Wer von uns hat nicht schon einmal die "Wegwerfmentalität" kritisiert, sie jedoch immer als "alternativlos" akzeptiert?
Am 14. Oktober fand in Köln das vierte Repair Café statt. 20 ehrenamtliche Helfer  nahmen zwischen 15 und 18 Uhr insgesamt 54 Geräte in Empfang, bauten sie auseinander und suchten gemeinsam mit den Eigentümern nach dem Fehler. Die Philosophie dieser "Selbsthilfegruppe" ist es nämlich, ihr Wissen weiterzugeben und so den Menschen Mut zu machen, ihre Geräte in Zukunft auch alleine zu reparieren. Eine Bezahlung gibt es nicht, Spenden sind erwünscht

WDR-Bericht über das dritte Kölner Repair Café im Juli 2012:
Die Idee kommt ursprünglich aus den Niederlanden. Die Journalistin Martine Postma gründete im Oktober 2009 das erste Repair Café in Amsterdam, 40 weitere folgten und es werden ständig mehr. Ziel ist es nicht, den professionellen Reparaturfirmen die Arbeit wegzunehmen. Ganz im Gegenteil. Die Initiatoren dieser Treffen wollen bei den Menschen wieder die Lust am Reparieren wecken. Schwierige Fälle werden an die (leider nur noch wenigen) Profis weitergeleitet.
In Köln konnten am 14. Oktober 26 der 54 Geräte vor Ort repariert werden, für 16 Apparate müssen Ersatzteile bestellt werden, für 10 Geräte kam jede Hilfe zu spät.
Die Kölner, die im Januar 2013 zum fünften Repair Café einladen werden, sind die ersten in Deutschland, die die Idee aus den Niederlanden übernahmen, und haben schon viele andere Tüftler im ganzen Land inspiriert. Nachfolgend findet Ihr eine Liste der Repair Cafés, die schon über eine eigene Internetseite verfügen. Darüber hinaus haben wir Repair Cafés in Nürnberg, Celle, Mainz, Hannover und München gefunden.

in Köln: http://dingfabrik.de
in Aachen: http://digitac.cc/aktuelles/repaircafe/
in Dresden: http://repaircafe.fueralle.org/dokuwiki/doku.php?id=start 

Außerdem gibt es eine Stiftung, die die Entstehung neuer Repair Cafés unterstützt:

http://repaircafe.de/

Und zum Schluss noch den link zur niederländischen Gründerinitiative:

http://www.platform21.nl/page/4315/nl?lang=en 

Aktuelle Termine für Repair Cafés in Köln, Düsseldorf und Celle - Stand vom 21.11.2012

Dienstag, 16. Oktober 2012

Vor 170 Jahren – Karl Marx wird Chefredakteur der Rheinischen Zeitung




Als er 1842 nach Köln kam, da hatte er noch nicht das „Kommunistische Manifest“ geschrieben. Der Jurist und Philosoph Karl Marx (1818-1883) war vielen Zeitgenossen unbekannt. Und doch hatte er für einen so unerfahrenen Neueinsteiger im Journalismus-Geschäft schon eine regelrechte Blitzkarriere hingelegt.

Der Kölner Zeitungsmarkt wurde damals von der „Kölnischen Zeitung“ (ab 1798) beherrscht, Meinungsmacherin der so genannten „ultramontanistischen“ Partei, die am Rhein übermächtig war. Dort berief man sich nur auf die Weisungen der päpstlichen Kurie. Seit 1819 gab es auch die „Preußische Staatszeitung“.  Über sie wurden in erster Linie Bekanntmachungen aus Berlin oder, noch schlimmer: Düsseldorf, verbreitet.

Am 1. Januar 1842 erschien die erste Ausgabe der "Rheinischen Zeitung für Politik, Handel und Gewerbe". Herausgeber war Bernhard Rave. Eine Marionette, eingesetzt von den wirklichen Konzeptionisten, die jedoch im Hintergrund blieben, um nicht die Aufmerksamkeit der preußischen Regierung auf sich zu ziehen.  

Der erste Artikel von Marx erscheint am 5. Mai 1842. Es handelt sich um eine Schmährede auf die „Preußische Staatszeitung“ – sehr gefährlich in einer Zeit, in der sich im gesamten Rheinland bürgerlich-liberale oder nationale Bewegungen gründen und den preußischen Polizeiapparat in Alarmbereitschaft versetzen. Gustav von Mevissen war einer der Herausgeber der Rheinischen Zeitung, Moses Hess ein bedeutender Verfasser von, sagen wir einmal - relativ-unpreußischen Artikeln. Und hier liegt auch das Problem: Anpassung oder Kritik. Was ist möglich?

Der erste Artikel des junge Hitzkopfs Marx ist voll philosophischer Beispiele, glühender Aufrufe und komplizierter Vergleiche aus Philosophie und Politik:

[…] Die erste notwendige Bedingung der Freiheit ist aber Selbsterkenntnis, und Selbsterkenntnis ist eine Unmöglichkeit ohne Selbstbekenntnis. […]

[…] Goethe sagt einmal, dem Maler glückten nur solche weibliche Schönheiten, deren Typus er wenigstens in irgendeinem lebendigen Individuum geliebt habe. Auch die Preßfreiheit ist eine Schönheit - wenn auch gerade keine weibliche - die man geliebt haben muß, um sie verteidigen zu können. Was ich wahrhaft liebe, dessen Existenz empfinde ich als eine notwendige, als eine, deren ich bedürftig bin, ohne die mein Wesen nicht erfülltes, nicht befriedigtes, nicht vollständiges Dasein haben kann. Jene Verteidiger der Preßfreiheit scheinen vollständig da zu sein, ohne daß die Preßfreiheit da wäre. […]

Als er am 15. Oktober 1842, 24-jährig,  Chefredakteur der Zeitung wird, schlägt er jedoch eine ganz andere, softere, Linie ein. Er will unbedingt, dass die Preussen keinen Grund finden, die Zeitung zu verbieten. Darum verbietet er seinen Redakteuren, „sozialistische Erörterungen“ zu schreiben. "Die wahre Theorie", so Marx, "muss innerhalb konkreter Zustände und an bestehenden Verhältnissen klargemacht und entwickelt werden" […] 
Der Junge Marx als Verleger, foto: http://www1.wdr.de
In den folgenden Monaten gelingt es ihm, die Auflage der Zeitung enorm zu steigern. Statt 1000 verkauft man nun 3300 Expemplare. Über Marx schreibt der Historiker Jürgen Herres von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin: "Er ist in der Lage, geistreiche Kritik zu leisten, die für jeden fühlbar radikal ist, ohne dass sie direkt von der Regierung verboten werden kann".

Am 18. März 1843 gibt Karl Marx seinen Rücktritt vom Chefredakteursposten bekannt. Damit verhindert er im letzten Moment das Verbot der Rheinischen Zeitung durch die preußische Regierung. Karl Marx hatte versucht, durch die Entwicklung eines ganz neuen Schreibstils, die Zensur der Behörden zu umgehen. Es dauerte trotzdem nur fünf Monate, bis auch diese Form der kritischen Berichterstattung von seinen Gegnern erkannt wurde. Um die eigene Sache nicht der vollkommenen Zerstörung preiszugeben, entschied sich Karl Marx, Köln und Preußen hinter sich zu lassen. 

Trotz dieser für ihn bitteren Enttäuschung, nutzte er das nun folgende Exil im Ausland, um seine Erfahrungen für die Entwicklung einer neuen Gesellschaftsordnung einzusetzen. Nach Köln begann er die Arbeit am Kommunistischen Manifest.

Montag, 15. Oktober 2012

Stanford-Gefängnis-Experiment III

Die Gefängniswärter verhielten sich nun immer mehr wie Strafvollzugsbeamte, weil ihr Zusammenhalt und ihre Identität durch den harten Umgang mit den Gefangenen gestärkt wurde. Sie arbeiteten nun besser zusammen, weil sie verhindern wollten, dass die Gefangenen sie fertig machen. Ihre Maßnahmen wurden immer brutaler: Sie schränkten die Toilettengänge der Gefangenen stark ein - nach 22Uhr mussten diese in einem Eimer in ihrer Zelle urinieren und defäkieren. Die Eimer durften nur noch in unregelmäßigen Abständen geleert werden. Im ganzen Gefängnis begann es nun nach Urin und Fäkalien zu riechen, was die Haftbedingungen extrem verschlechterte.
36 Stunden nach Beginn des Experiments brach bei einem der Gefangenen eine akute emotionale Störung aus. Er begann zu schreien und zu weinen. Die wissenschaftliche Leitung vermutete erst ein Ablenkungsmanöver, um die Freilassung zu erreichen und griff nicht in die Haftbedingungen ein. Als sich der Zustand des Häftlings weiter verschlimmerte und er den anderen Gefangen erzählte, dass sie diesen Ort niemals wieder verlassen würden, was für sehr viel Unruhe sorgte,wurde er schließlich doch entlassen.
Unter den Gefängniswärtern gab es drei Typen in Bezug auf ihren Umgang mit den Gefangenen. So versuchten drei von ihnen, die zu Beginn besprochenen Verhaltensregeln streng zu befolgen, mischten sich jedoch nicht ein, wenn ein Insasse mißhandelt wurde. Drei der Aufseher versuchten sogar, den Gefangenen ab und zu einen Gefallen zu tun und zeigten sich in Abwesenheit ihrer Kollegen sehr milde.
Foto: http://www.prisonexp.org
Ein Drittel der Aufseher nutzte die neu gewonnene Macht jedoch aus und ersann immer neue Methoden, um die Insassen zu demütigen. Während des Auswahlverfahrens für das Experiment hatten diese Personen keinerlei Symptome eines sadistischen oder zumindest eine andere Charaktereigenschaft wie Ungeduld oder Gereiztheit gezeigt, die auf diese Entwicklung hätte schließen lassen können. Im Gefängnis verloren sie ihre Menschlichkeit. An dieser Stelle gibt es eine eindeutige Parallele zum Verhalten US-amerikanischer Soldaten im Gefängnis von Abu Ghraib (Irak) im Jahr 2003.

Nach sechs Tagen wurde das auf zwei Wochen angelegte Experiment vorzeitig beendet. Die Gefangenen hatten sich zu diesem Zeitpunkt zu körperlichen und seelischen Schatten ihrer selbst entwickelt. Sie lebten in ständiger Angst vor ihren Bewachern. Nach einem der regelmäßig stattfindenden Besuchstage hatten sich die Eltern einiger Häftlinge an ihre Rechtsanwälte gewandt, um ihre Söhne aus dem Gefängnis herauszuholen. Der nun folgende enorme rechtliche Druck auf den leitenden Wissenschaftler, Philip G. Zimbardo, bewegte ihn schließlich zum Abbruch des Experiments. Im Nachhinein gab auch er zu, dass er sich zu diesem Zeitpunkt wirklich als Leiter einer Haftanstalt fühlte und den Realitätsverlust alleine nicht hätte überwinden können.

Orientiert an den Erfahrungen aus Zimbardos Experiment kam im Jahr 2001 ein deutscher Film mit dem Titel "Das Experiment" in die Kinos. Im Filmausschnitt wird der Nervenzusammenbruch eines Gefangenen und die nachfolgende Diskussion über einen Abbruch des Experiments gezeigt:
  
Wie bewertet Ihr die Ergebnisse des Stanford-Gefängnis-Experiments? Kann eine Erziehung im Respekt vor dem Leben sadistische Neigungen nur überdecken, jedoch niemals beseitigen?

Samstag, 13. Oktober 2012

Das Stanford-Gefängnis-Experiment II


In der ersten Nacht wurden die Gefangenen um 2:30Uhr zu einem so genannten "Zählappell" geweckt. Es sollten noch viele weitere dieser Appelle folgen, die nur dazu dienten, die Gefangenen zu schikanieren und sie zu kontrollieren.
Foto: prisonexp.org
Nicht alle Gefangenen nahmen die Appelle ernst, weswegen es zu den ersten Auseinandersetzungen zwischen ihnen und den Gefängniswärtern kam. An dieser Stelle konnte man erstmals Eigeninitiative (oder Kreativität) bei den Aufsehern erkennen. Sie ließen die ungehorsamen Gefangenen Liegestütze machen. Diese Strafe mag vielleicht pubertär anmuten, wurde jedoch auch während des Nationalsozialismus in Konzentrationslagern angewandt. Auf dieser Skizze von Alfred Kantor, der er als KZ-Häftling angefertigt hat, kann man erkennen, dass ein Aufseher einem Gefangenen sogar noch auf den Rückten tritt. Diese Art der Bestrafung wurde auch von "Autodidakt"-Aufsehern im Stanford-Gefängnis angewandt.
Nachdem sich die Gefangenen einer Zelle am zweiten Tag weigerten, zum Appell anzutreten, die Zelltür mit ihren Pritschen verbarrikadierten und ihre Gefängniswärter sogar verspotteten eskalierte die Situation: Ihre Aufpasser brachen die Tür auf, schikanierten die Randalierer, zum Beispiel indem sie sie komplett entkleideten, und sperrten die Anführer nacheinander in Einzelhaft. An diesen Maßnahmen waren alle neun Gefängniswärter beteiligt, denn die diensthabene Schicht hatte sich Verstärkung geholt. Der Wachmannschaft wurde jedoch sehr schnell klar, dass sie den Gefangenen nicht immer im Verhältnis neun zu neun gegenübertreten konnten. Sie richteten eine von den anderen Zellen abgetrennte "Vorzugszelle" ein, in der die Gefangenen, die sich nicht am Widerstand beteiligt hatten, eingesperrt wurden. In dieser Zelle gab es besseres Essen, die Möglichkeit sich zu waschen und die Gefangenen erhielten ihre Kleidung zurück. 
Danach wurden einzelne Gefangene aus der Vorzugszelle in die anderen Zellen zurückverlegt. Nun kam es unter den Gefangenen zu gegenseitigen Verdächtigungen, weil vermutet wurde, dass es sich bei den Rückkehrern um Spione der Gefängniswärter handelte. Der Zusammenhalt unter den Gefangen brach zusammen.
Ähnliche Praktiken wie diese gibt es auch in echten Gefängnissen. Auch wenn keine offiziellen Studien existieren, so berichteten ehemalige Gefangene eines Gefängnisses der Staatssicherheit (ehemalige DDR), dass niemand mit den Zellengenossen redete, weil es sich bei jedem Mitgefangenen um einen potentiellen Stasi-Spion handeln konnte. In einigen US-amerikanischen Gefängnissen wird ganz bewusst unter den Gefangenen Rassismus geschürt, um den Zusammenschluss größerer Gruppen zu verhindern.

Freitag, 12. Oktober 2012

Das Stanford-Gefängnis-Experiment I

Die Sträflingsuniform war ein Kleid oder Kittel, den der Gefangene während der ganzen Zeit ohne Unterwäsche trug. Auf der Vorder- und Rückseite des Kittels war seine Identifikationsnummer angebracht. Am rechten Knöchel jedes Gefangenen wurde eine schwere Kette befestigt, die den gesamten Aufenthalt über nicht entfernt wurde. Ziel dieser Aktion war es nicht, eine reale Sträflingskleidung zu simulieren, sondern die Gefangenen zu demütigen. Und tatsächlich verhielten sich die Gefangenen zurückhaltend und eingeschüchtert, nachdem sie sich den Kittel angelegt hatten.


Im Sommer 1971 begann an der Stanford University ein Experiment mit 18 Studenten aus Palo Alto (in der Nähe von San Francisco). Unter Leitung des Psychologen Philip G. Zimbardo hatte ein Team von Wissenschaftlern einige Kellerräume der Universität als Gefängnis hergerichtet, um innerhalb eines Zeitraumes von zwei Wochen zu erforschen, wie sich ganz "normale" Menschen in einem Gefängnis verhalten. Die Studenten erhielten 15 Dollar pro Tag. Vor Beginn des Experiments unterschrieben die Studenten eine Erklärung, die besagte, dass sie während des Gefängnisaufenthalts auf ihre Grundrechte verzichten würden.


Foto: prisonexp.org

Die Aufseher erhielten im Vorfeld keine spezielle Anweisungen, wie sie sich gegenüber den Gefangenen verhalten sollten. Sie wurden mit einer Trillerpfeife, einem Gummiknüppel und einer verspiegelten Sonnenbrille ausgerüstet.



Die Gefängnissimulation begann mit neun Aufsehern und neun Gefangenen. Die Einteilung wurde per Münzwurf festgelegt. Die Aufseher arbeiten jeweils zu dritt in einer 8-Stunden-Schicht, die Gefangenen wurden auf drei Zellen aufgeteilt, in denen nur genug Platz für drei Pritschen war.

Teil II folgt am Samstag!





Montag, 8. Oktober 2012

Gib' mir Fünf!

Die Europäische Kommission will das Medizinstudium auf 5 Jahre verkürzen

Ein Medizinstudium dauert in Deutschland mindestens sechs Jahre. Das soll sich nun ändern. 
Unter Einfluss Großbritaniens und Irlands kam dieser Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zu Stande und wird in diesen Tagen den Mitgliedsländern vorgelegt.

Der Verkürzung der Studienzeit würden vor allemPflegepraktika und Famulaturen zu Opfer fallen, weil sie zwar in Deutschland vorgeschrieben sind, jedoch nicht in der Stundenplanung der EU-Kommission auftauchen. Eine zusätzliche Belastung der Medizinstudenten ist vorprogrammiert, da sie in Zukunft noch weniger Zeit haben würden, neben dem Studium ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. 
Ein Deutscher Arzt behandelt ein bolivianisches Straßenkind (La Paz 2010) - Auslandsaufenthalte wie diese würden nach den Vorstellungen der Europäischen Union nicht mehr auf das Medizinstudium, zum Beispiel in Form einer Famulatur, angerechnet werden [Foto: fummelmond]
Heyo Kroemer, Präsident des Medizinischen Fakultätentages meint hierzu: "Durch die Verkürzung würde das Medizinstudium erschwert und die hohe Qualität der ärztlichen Ausbildung abgesenkt werden. Die Ausbildungskosten würden erhöht und die Studienabbrüche zunehmen." 

Im Januar 2013 soll über den Gesetzesentwurf entschieden. Bisher haben bis auf Deutschland keine weiteren Länder der Europäischen Union Kritik angemeldet.

Die Europäische Kommission darf Gesetzesvorschläge einbringen. Das Europäische Parlement darf nur zustimmen oder Änderungen verlangen. Dadurch haben die gewählten Vertreter der europäischen Bevölkerung keine Möglichkeit, eigene Initiativen voranzubringen.

'Wendehals' oder Reformer?

Christian Führer, Ex-Pfarrer der Nikolaikirsche fordert Alternativen zum kapitalistischen Wirtschafts- und Finanzsystem. Die Kirche soll sich mehr einmischen.

Er prangert "nationale globale Ausbeutungs- und Unrechtsstrukturen" an, fordert den "Mut zu einer Alternative", wünscht sich auf Anfrage jedoch nicht die "sozialistische Wirtschaftsform" zurück. Dafür betitelte ihn die Bild als 'Wendehals'.

Zusammen mit Christoph Wonneberger, dem damaligen Pfarrer der Leipziger Lukasgemeinde, organisierte Führer ab dem 20. September 1982 jeden Montag Friedensgebete in der Nikolaikirche.1986 liess Christian Führer dort das Schild "Nikolaikirche - Offen für Alle" anbringen. Er organisierte Fürbittengebete für Inhaftierte, die nach der nicht System-konformen Veranstaltung zur staatlichen Liebknecht-Luxemburg-Demonstration von der Stasi verschleppt worden waren und veranstaltete einen Gesprächskreis für Ausreisewillige. Als der staatliche Druck schon massiv auf Wonneberger und Führer lastete - Weggefährten wurden kontrolliert oder der Staatsmacht "zugeführt", da verlas Christian Führer am  26. Juni 1989 sogar noch „einen Protestbrief von 30 Personen an die chinesische Botschaft, um gegen die Todesstrafen in China zu protestieren.“ 

Kurz darauf kam es zu einer der letzten großen Macht-Demonstrationen des SED-Regimes. Am 9. Oktober wurden etwa 1000 Mitglieder der Staatssicherheit (Stasi) in Zivil in die Nikolaikirsche beordert. 600 von ihnen füllten das Kirchenschiff. Trotzdem verlasen die Pfarrer einen Appell zur Gewaltlosigkeit und einen allgemeinen Friedensaufruf. An diesem Tag kam es entgegen aller Befürchtungen zu keiner Gewaltanwendung - Der Anfang vom Ende der DDR.

Dieser Pfarrer also meint nun, dass das "System" die Probleme nicht beseitigen könne, die es selbst hervorbringe. Der Kapitalismus hätte ausgedient. Das wäre für Führer jedoch nicht automatisch ein Bekenntnis zum Sozialismus. Jedoch nur eine tiefgreifende Veränderung der Gesellschaftsordnung würde zu einer wirklichen Verbesserung der Lebensumstände eines Großteils der Bevölkerung führen.

Homophobe verunglimpfen Dirk Bach

Nach dem Tod des Schauspielers beschmutzt ein fundamentalistischer Blog dessen Ansehen

"Wir haben lange bei kreuz.nets Homohobie zugesehen. Aber jetzt hat das Treiben dieser Katholiban eine Dimension und so viel öffentliche Aufmerksamkeit erreicht, dass jedes stillschweigende Zusehen zu einer Art Mittäterschaft werden würde", sagt der Vorsitzende des Bruno Gmünder Verlags , Tino Henn.

Zuvor hatte der Herausgeber des Life-Style-Magazins "Männer" gegen die Website "kreuz.net" Anzeige erstattet und 15 000 Euro "Kopfgeld" auf die Namen und Kontaktdaten ihrer Verfasser ausgesetzt. Diese hatten einen Tag nach dem Tod des Kölner Schauspielers und Komikers Dirk Bach (01.10.) einen Post mit folgenden Titel veröffentlicht: „Jetzt brennt er in der ewigen Homo-Hölle“

Die Macher dieses Blogs sehen sich als brave Katholiken, wenn sie sich folgendermaßen zu Dirk Bach äußern: "Homo-Perverse haben im Vergleich zur sexuell gesunden Bevölkerung eine um zwanzig Jahre geringere Lebenserwartung."
Am 3. Oktober schoben sie dem Apostel Paulus unter folgendem Titel  "Ein Kinderhasser war er auch", folgende Worte in den Mund: "Im ersten Kapitel des Römerbriefes stellt der Heilige Paulus fest, daß Leute wie Bach des Todes sind."

Diese Äußerungen haben kreuz.net über eine Million Klicks gebracht.

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Armut, Rente, Arbeit

Den Text könnt Ihr Euch auch als pdf bei Dropbox herunterladen. Hier ist der link:
https://www.dropbox.com/s/d0zq6sbi48g1c27/Blog%20text%20-%2004.10.2012.pdf 

Montag, 1. Oktober 2012

In der Globalisierungsfalle



Evo Morales‘ Bolivien leidet unter seinen Reichtum
Im Südosten Boliviens, nahe der brasilianischen Grenze, erhebt sich der „Cerro El Mutún“. 40 Milliarden Tonnen Eisenerz lagern dort. Der Eisenberg befindet sich mitten im artenreichen Feuchtgebiet des Pantanal, der sich von Bolivien bis tief nach Brasilien hinein erstreckt – einer der größten Süßwassersümpfe der Welt. Bolivien verfügt nicht über die Infrastruktur, um die weltweit größten oberflächennahen Eisenerzvorkommen abzubauen. Doch zum Glück gibt es „Jindal“. Mehr als zwei Milliarden Dollar will der indische Konzern in die Mine investieren. Aber für den Abtransport des Eisenerzes nach Fernost und damit zu den Pazifikhäfen in Chile und Peru fehlt eine Eisenbahnlinie oder eine eine Schnellstraße.
Der Cerro El Mutún komplett mit Wald bedeckt, Foto: bolivianet.com
Die rasant wachsenden Industrien Indiens und Chinas hungern nach Südamerikas Rohstoffen und Bolivien kann nicht nur mit Eisenerzen, sondern auch mit den zweitgrößten Gasvorkommen des Subkontinents aushelfen. Die Gaspipeline nach Brasilien führt in nur 20 Kilometer Entfernung am „Cerro“ vorbei.
China und Indien, jedoch auch die regionale Vormacht Brasilien, drängen die bolivianische Regierung unter Präsident Evo Morales, die Infrastruktur des Landes weiter auszubauen. Doch dem ersten indigenen Staatsoberhaupt Südamerikas ist es erst im September letzten Jahres mit aller Mühe gelungen, eine Eskalation der gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund eines Straßenbaus durch das indigene Territorium TIPNIS (Territorio Indígena y parque nacional Isiboro Sécure) zu verhindern. Der Streit ist noch nicht beigelegt, hat jedoch schon jetzt gezeigt, dass nicht alle 36 indigenen Völker Boliviens ihrem Präsidenten bedingungslos folgen.
Das mag auch daran liegen, dass Evo Morales eher eine Identifikationsfigur für die indigenen Völker der westlichen Landeshälfte und nicht der Grenzregion zu Brasilien ist. Als Gewerkschaftsführer der Koka-Bauern betreibt er unverholen Klientelpolitik und geht dabei auf Konfrontationskurs zur Drogenpolitik der USA. Doch selbst auf diesem Gebiet drohen ihm die Zügel aus der Hand zu gleiten. Die Förderung des Anbaus der Kokapflanze hat entgegen seiner Beteuerungen auch zu einer Erhöhung der Ausfuhr von Koka-Paste, dem Basisprodukt zur Herstellung von Kokain, geführt. Hier spielt die 3400 Kilometer lange Grenze zwischen Bolivien und Brasilien wiederum eine wichtige Rolle. Schon seit Jahrzehnten profitiert der internationle Drogenhandel von unzureichenden Grenzkontrollen und korrupten Zollbeamten.
Durch die kleine Ortschaft „Espíritu de la Frontera“ verläuft eine schmahle aber wichtige Verkehrsroute zum mächtigen Nachbarland Brasilien. Der „cerro El Mutún“ ist noch mehr als 200 Kilometer entfernt, aber schon hier kann man die Auswirkungen der Globalisierung erkennen. Mit dicken Baumstämmen beladene Lastwagen keuchen duch das Dorf, Polizeikontrollen suchen nach Koka-Paste. Ein paar Kilometer entfernt wächst Kaffee für Deutschland. Fair-Trade-Kaffee selbstverständlich.