Aufführungen 2014
30. November 2014 um 17:00 Uhr
Kölnisches Stadtmuseum
29. September 2014 - 19:00 Uhr im OT-Nonni, Köln Ehrenfeld
"Es muß denn das
Schwert entscheiden. Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Darum auf! zu
den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat am Vaterlande. Um Sein oder Nichtsein unseres Reiches handelt es sich, das unsere Väter sich
neu gründeten."
Vor 100 Jahren begann der Erste Weltkrieg. Oliver Schnelker
und Christoph Wehr sitzen vor einer roten Backsteinwand. Im Licht zweier Schreibtischlampen
rezitieren sie aus einem offiziellen Kriegsaufruf von 1914, dann aus den
Tagebüchern und epischen Texten der Kämpfer für dieses Vaterland. Die
Gefühle der Täter, die auch Opfer waren.
Erich Maria
Remarque, Im Westen nichts Neues
"Graues Licht sickert zu uns hinein. Wind
fegt über den Friedhof. Ich schiebe mich über den Rand des Trichters. In der
schmutzigen Dämmerung liegt vor mir ein ausgerissenes Bein, der Stiefel ist
vollkommen heil, ich sehe das alles ganz deutlich im Augenblick. Aber jetzt
erhebt sich wenige Meter weiter jemand, ich putze die Fenster, sie beschlagen
mir vor Aufregung sofort wieder, ich starre hinüber – der Mann dort trägt keine
Gasmaske mehr.
Noch Sekunden warte ich – er bricht nicht
zusammen, er bricht suchend umher und macht einige Schritte, - der Wind hat das
Gas zerstreut, die Luft ist frei – da zerre ich röchelnd ebenfalls die Maske
weg und falle hin, wie kaltes Wasser strömt die Luft in mich hinein, die Augen
wollen brechen, die Welle überschwemmt mich und löscht mich dunkel aus."
Die Spannweite ist
breit. Sie reicht von der uns allgemein durch die Schule bekannten pazifistische
Nachkriegsliteratur zu den knappen, präzisen, manchmal unschuldig plaudernden, manchmal heroisierenden Schilderungen der Frontsoldaten. Das OT Nonni in Köln Ehrenfeld wird an diesem
Freitagabend nur durch die Schreibtischlampen ein wenig erhellt.
Eigenartig radikal
sind die Texte, scheinbar minimal die angekündigte Darstellungsform der
szenischen Lesung. Und doch ruhen die Vorlesenden nicht auf ihren Sitzen. Es
sind Schauspieler die wissen, warum Edlef Köppen schauspielerte - wenn er sich
die Maske des Heeresberichts aufsetzte – wenn er nach der physischen Vernichtung
durch Gas, Krankheit und Verwundung bis 1918 nun auch die letzten Reste
seines Glaubens an die Menschlichkeit zerstört - sich durch seine chauvinistischen
Glorifizierung der Ereignisse von der Kriegsmaschine erneut verheizen läßt.
[...] »Schnellfeuer«,
das heißt: nach zehn Minuten ist der Pulsschlag der Menschen verdoppelt. Das
Herz schlägt nicht mehr in der Brust, sondern im Hals. Erst hat der Puls die
Glieder zittern lassen. Dann stemmen sie sich gegen sein Kommando, werden wie
Eisen und werden Teil der großen Maschine: Sechs Geschütze: Eine Batterie."
Noch radikaler
sind jedoch Schilderungen eines Soldaten im Heimaturlaub – Die Konfrontation
mit einer anderen Welt, mit dem Leben hinter der Front.
"Aber mit den Leuten kann ich nicht fertig werden. Die einzige, die nicht fragt, ist meine Mutter. Doch schon mit meinem Vater ist es anders. Er möchte, daß ich etwas erzähle von draußen, er hat Wünsche, die ich rührend und dumm finde, zu ihm schon habe ich kein rechtes Verhältnis mehr. Am liebsten möchte er immerfort etwas hören. Ich begreife, daß er nicht weiß, daß so etwas nicht erzählt werden kann, und ich möchte ihm auch gern den Gefallen tun; aber es ist eine Gefahr für mich, wenn ich diese Dinge in Worte bringe, ich habe Scheu, daß sie dann riesenhaft und sich nicht mehr bewältigen lassen. ..."
Chrsitoph
Wehr und Oliver Schnelker gelingt es mit minimalen Mitteln in Gestik und Mimik,
mit Betonung, Tempo, Synergie und Kontrast die Gedanken der Täter und Opfer über
die menschenverachtene Brutalität ihres Vaterlandes wiederzugeben, dass mit Aufrufen wie diesem das Leben seiner Kinder preisgab:
"Um Sein oder
Nichtsein deutscher Macht und deutschen Wesens.
Wir werden uns wehren bis zum letzten Hauch von Mann und Roß. Und wir werden diesen Kampf bestehen auch gegen eine Welt von Feinden. Noch nie ward Deutschland überwunden, wenn es einig war.
Vorwärts mit Gott, der mit uns sein wird, wie er mit den Vätern war."
Wir werden uns wehren bis zum letzten Hauch von Mann und Roß. Und wir werden diesen Kampf bestehen auch gegen eine Welt von Feinden. Noch nie ward Deutschland überwunden, wenn es einig war.
Vorwärts mit Gott, der mit uns sein wird, wie er mit den Vätern war."
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