Samstag, 6. September 2014

Premiere - K R I E G S K U N S T


Aufführungen 2014 30. November 2014 um 17:00 Uhr  
Kölnisches Stadtmuseum
Wegbeschreibung [link]


29. September 2014 - 19:00 Uhr im OT-Nonni, Köln Ehrenfeld


"Es muß denn das Schwert entscheiden. Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Darum auf! zu den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat am Vaterlande. Um Sein oder Nichtsein unseres Reiches handelt es sich, das unsere Väter sich neu gründeten."



Vor 100 Jahren begann der Erste Weltkrieg. Oliver Schnelker und Christoph Wehr sitzen vor einer roten Backsteinwand. Im Licht zweier Schreibtischlampen rezitieren sie aus einem offiziellen Kriegsaufruf von 1914, dann aus den Tagebüchern und epischen Texten der Kämpfer für dieses Vaterland. Die Gefühle der Täter, die auch Opfer waren. 



Erich Maria Remarque, Im Westen nichts Neues
"Graues Licht sickert zu uns hinein. Wind fegt über den Friedhof. Ich schiebe mich über den Rand des Trichters. In der schmutzigen Dämmerung liegt vor mir ein ausgerissenes Bein, der Stiefel ist vollkommen heil, ich sehe das alles ganz deutlich im Augenblick. Aber jetzt erhebt sich wenige Meter weiter jemand, ich putze die Fenster, sie beschlagen mir vor Aufregung sofort wieder, ich starre hinüber – der Mann dort trägt keine Gasmaske mehr.
Noch Sekunden warte ich – er bricht nicht zusammen, er bricht suchend umher und macht einige Schritte, - der Wind hat das Gas zerstreut, die Luft ist frei – da zerre ich röchelnd ebenfalls die Maske weg und falle hin, wie kaltes Wasser strömt die Luft in mich hinein, die Augen wollen brechen, die Welle überschwemmt mich und löscht mich dunkel aus."

Die Spannweite ist breit. Sie reicht von der uns allgemein durch die Schule bekannten pazifistische Nachkriegsliteratur zu den knappen, präzisen, manchmal unschuldig plaudernden, manchmal heroisierenden Schilderungen der Frontsoldaten. Das OT Nonni in Köln Ehrenfeld wird an diesem Freitagabend nur durch die Schreibtischlampen ein wenig erhellt.
Eigenartig radikal sind die Texte, scheinbar minimal die angekündigte Darstellungsform der szenischen Lesung. Und doch ruhen die Vorlesenden nicht auf ihren Sitzen. Es sind Schauspieler die wissen, warum Edlef Köppen schauspielerte - wenn er sich die Maske des Heeresberichts aufsetzte – wenn er nach der physischen Vernichtung durch Gas, Krankheit und Verwundung bis 1918 nun auch die letzten Reste seines Glaubens an die Menschlichkeit zerstört - sich durch seine chauvinistischen Glorifizierung der Ereignisse von der Kriegsmaschine erneut verheizen läßt.  

[...] »Schnellfeuer«, das heißt: nach zehn Minuten ist der Pulsschlag der Menschen verdoppelt. Das Herz schlägt nicht mehr in der Brust, sondern im Hals. Erst hat der Puls die Glieder zittern lassen. Dann stemmen sie sich gegen sein Kommando, werden wie Eisen und werden Teil der großen Maschine: Sechs Geschütze: Eine Batterie."

Noch radikaler sind jedoch Schilderungen eines Soldaten im Heimaturlaub – Die Konfrontation mit einer anderen Welt, mit dem Leben hinter der Front.

"Aber mit den Leuten kann ich nicht fertig werden. Die einzige, die nicht fragt, ist meine Mutter. Doch schon mit meinem Vater ist es anders. Er möchte, daß ich etwas erzähle von draußen, er hat Wünsche, die ich rührend und dumm finde, zu ihm schon habe ich kein rechtes Verhältnis mehr. Am liebsten möchte er immerfort etwas hören. Ich begreife, daß er nicht weiß, daß so etwas nicht erzählt werden kann, und ich möchte ihm auch gern den Gefallen tun; aber es ist eine Gefahr für mich, wenn ich diese Dinge in Worte bringe, ich habe Scheu, daß sie dann riesenhaft  und sich nicht mehr bewältigen lassen. ..."

Chrsitoph Wehr und Oliver Schnelker gelingt es mit minimalen Mitteln in Gestik und Mimik, mit Betonung, Tempo, Synergie und Kontrast die Gedanken der Täter und Opfer über die menschenverachtene Brutalität ihres Vaterlandes wiederzugeben, dass mit Aufrufen wie diesem das Leben seiner Kinder preisgab:

"Um Sein oder Nichtsein deutscher Macht und deutschen Wesens.
Wir werden uns wehren bis zum letzten Hauch von Mann und Roß. Und wir werden diesen Kampf bestehen auch gegen eine Welt von Feinden. Noch nie ward Deutschland überwunden, wenn es einig war.
Vorwärts mit Gott, der mit uns sein wird, wie er mit den Vätern war."
 


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