Montag, 9. Februar 2015

Kanonen und Kalender




Adam Schall von Bell (1592-1666)



Kanonen gießen, einen neuen Kalender für China schreiben, mit protestantischen Gelehrten über neue Weltbilder verhandeln: Der Kölner Jesuit Adam Schall von Bell war nicht nur ein eifriger Missionar. Er war ein Mittler zwischen zwei Kulturen und ein skupelloser Machtmensch.
Adam Schall von Bell [Foto:http://usf.usfca.edu]
Das letzte Jahr seines Lebens verbrachte der 1592 in Köln oder Meckenheim geborene Adelsjüngling Adam Schall zu Bell in der Jesuitenmission in Peking. Halbseitig gelähmt und aphasisch hatte man ihn in einem Gerichtsprozess zum Tode durch Zerstückelung bei völligem Bewusstsein verurteilt - Den mächtigen Adam Schall von Bell, einflussreichsten Intrigant am kaiserlichen Hof. Nur ein Erdbeben, welches man als Himmelszeichen deutete, verhinderte die grausame Hinrichtung. Außerdem wusste nach dem Prozess jeder, dass der Jesuit nichts mehr ausrichten konnte. Nach einem Schlaganfall ließ er sich nur noch durch seine Weggefährten vertreten.
Die hatten jedoch nicht sein Format. Adam Schall von Bell war sowohl militärischer Anführer als auch der Begründer einer christlichen Weltanschauung mit Elementen des Konfuzianismus.

Die neue Religion
Am Hof in Peking hatte man von den wissenschaftlichen und technischen Fähigkeiten der Jesuiten in Macau erfahren. Vier Jahr nach Ankunft in der portugiesischen Kolonie (1619) war Schall in der Lage auf Chinesisch zu predigen. Man lud ihn und eine Gruppe weiterer Jesuiten in die Hauptstadt ein.
Die Mönche bildeten unter Schall eine Gemeinde, in deren Religion chinesische Ansichten, Lebensgewohnheiten und Riten mit christlichen Anschauungen und Lebensgestaltungen eine Symbiose eingingen. Die Beibehaltung der Ahnenverehrung bei christlich getauften Chinesen und auch die von den Jesuiten benutzte Gottesbezeichnung "Tientschu" (Herr des Himmels) bescherte der neuen Gemeinde ein starkes Wachstum, rief jedoch bei den ebenfalls in Peking weilenden Dominikanern und Franziskanern Ablehung, gewiss auch Mißgunst hervor. Der ersten Beschuldigungen erreichten Rom.

Gelehrter am chinesischen Hof
1640 übersetzte Schall Georgius AgricolasDe re metallica“ ins Chinesische und stellte das Werk am Kaiserhof vor. 1642 lenkte er die Produktion von hundert Kanonen für das Kaiserhaus. 1644 wurde er nach einer wiederholt erfolgreichen astronomischen Prognose zum Präsidenten des kaiserlichen astronomischen Instituts berufen.
Seine Nachfolger in der Mission, die Männer die ihn für ihn sprachen als er nicht mehr selbst agieren konnte – sie besaßen nicht das Format eines Schall von Bell.

Väterlicher Freund des Kaisers
Kaiser Shunzi [Quelle: wikipedia.org]
Zwischen 1651 und 1661 war er der wichtigsten Berater des ersten Mandschu-Kaisers Shunzhi dem, 1644 als Kind auf den Thron gekommen, Schall ein väterlicher Lehrer war. Shunzhi beförderte den deutschen Gelehrten 1658 sogar zum Mandarin 1. Klasse.
 Die Mandschu waren die neuen Herrscher eines Imperiums, dass flächenmäßig alle Reiche in Europa in den Schatten stelllen sollte. Ausgehend von der Mandschurei gelang ihnen nicht nur die Etablierung einer neuen 250 Jahre dauernden Herrscherdynastie in Peking, sondern auch die militärische Kontrolle über die Mongolen, über Taiwan, Tibet und Kirgistan. Die Königreiche in Vietnam, Korea und Thailand und Myanmar waren ihnen tributplichtig.

Das Spiel mit der Macht
Shunzi hatte keine auswärtigen Gegner mehr. Die Gegner des Sechsjährigen waren die Weggefährten seines Vaters, Anhänger der gestürzten Han-Kaiser, Unzufriedene in den eigenen Reihen – vielleicht auch diese seltsamen gelehrten Mönche aus dem Westen? Das Mönchtum war den Chinesen bekannt, die wissenschaftlichen Kenntnisse der Jesuiten schätzten man sehr. Schall von Bell hatte erfolgreich einen niederländischen Angriff auf die portugiesische Kolonie Macau abgewehrt.
Chinu in der Mandschudynastie [Foto: wikipedia.org]
Der gelehrte Jesuit wurde zum Prinzenerzieher bestellt. Mit der Ausarbeitung eines neuen Kalenders sicherte er auch die ideologische Implementierung der Mandschu-Kaiser. Der erste europäische Mandarin der Geschichte erwirkte die Einrichtung einer katholischen Kirche in Peking sowie die Bekehrung der Kaiserin und des Kronprinzen zum Chrsitentum – Zum Christentum des Adam Schall von Bell. 

Krankheit und Untergang
Der junge Kaiser selbst blieb dem Buddhismus treu. Nach dem Tod seiner Lieblingskokubine folgte er dem Beispiel seines väterlichen Feundes und ging in ein Kloster. 23 Jahren starb er - wahrscheinlich an den Pocken. So kam es 1661 zu einer Situation, die genauso auch an einem europäischen Königshöfen hätte stattfinden können: War der Thronfolger zu jung, kam es zum Kampf um die Kontrolle über ihn. Es ist ein Wunder, dass Shinzus Sohn überlebte und später zu einem der wichtigsten Mandschu-Keiser aufsteigen sollte.
Der 69jährige Schall von Bell behielt zunächst seine Ämter. Das Ende seines Einflusses wurde jedoch kurz darauf durch die offizielle Anklage gegen ihn im Vatikan eingeleitet. Die Häufung zahlreicher weltlicher Ämter war den konkurrierenden Orden schon lange Zeit ein Dorn im Auge gewesen. Doch nun, in dem Machtvakuum vor dem Kampf um den chinesischen Thron war Adam Schall von Bell unfähig sich den Beschuldigungen aus Europa zu erwehren.  
1664 erlitt er einen Schlaganfall, durch den er sein Sprechvermögen verlor. Das nutzten seine Gegner am Hof, um ihn zu beschuldigen, seinerzeit den Tod des Herrschers provoziert zu haben.  
Die Anklage, die auch andere Jesuiten betraf, lautete auf Hochverrat, auf Zugehörigkeit zu einer mit der rechten Ordnung unvereinbaren Religionsgemeinschaft und auf Verbreitung falscher astronomischer Lehren.
Schall wurde über den Winter 1664/65 eingekerkert. Nicht angeklagte Jesuiten wurden nach Kanton ausgewiesen. Am 15. April 1665 wurde Schall nach einem Schauprozess für schuldig befunden.

Adam Schall von Bell – ein Universalgelehrte in der größten Umbruchzeit der Menschheitsgeschichte
Das China Adam Schall von Bell war auf dem Gipfel seiner politischen Macht. Doch für die Han-Chinesen war das Reich nichts weiter als die Besetzung Chinas durch die Mandschu-Kaiser und deren Volk aus dem Norden. 1912, während der chinesischen Revolution, war das Abschneidens des Zopfes ein Symbol der Befreiung von dieser verhassten Dynastie – die Aufhebung einer Frisurenverordnung der Mandschu. Heute bringt man Vorschriften für das Haupthaar nur mit Machthabern à la Kim Jong-Un in Verbidung. Doch obwohl man sich damals am Hof solcher archaischer Methoden zur Vereinheitlichung der Menschen in einem Riesenreich bediente, war die Arbeit der Jesuiten unter Adam Schall von Bell auch eine Zeit des wissenschaftlichen Austausches zwischen Europa und China.
Adam Schall von Bell war kein Max Plnack-Physiker, der als Post-Doc in China arbeitete und am Ende auf den Physiknobelpreis hoffen durfte. Er war ein kaltblütiges und geniales Universalgenie, ein Wissenschaftler im Kampf um die Macht.

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