Adam
Schall von Bell (1592-1666)
Kanonen
gießen, einen neuen Kalender für China schreiben, mit
protestantischen Gelehrten über neue Weltbilder verhandeln: Der Kölner Jesuit Adam
Schall von Bell war nicht nur ein eifriger Missionar. Er war ein Mittler
zwischen zwei Kulturen und ein skupelloser Machtmensch.
Adam Schall von Bell [Foto:http://usf.usfca.edu] |
Das
letzte Jahr seines Lebens verbrachte der 1592 in Köln oder Meckenheim geborene
Adelsjüngling Adam Schall zu Bell in der Jesuitenmission in Peking. Halbseitig
gelähmt und aphasisch hatte man ihn in einem Gerichtsprozess zum Tode durch
Zerstückelung bei völligem Bewusstsein verurteilt - Den mächtigen Adam Schall
von Bell, einflussreichsten Intrigant am kaiserlichen Hof. Nur ein Erdbeben,
welches man als Himmelszeichen deutete, verhinderte die grausame Hinrichtung.
Außerdem wusste nach dem Prozess jeder, dass der Jesuit nichts mehr ausrichten
konnte. Nach einem Schlaganfall ließ er sich nur noch durch seine Weggefährten
vertreten.
Die
hatten jedoch nicht sein Format. Adam Schall von Bell war sowohl militärischer
Anführer als auch der Begründer einer christlichen Weltanschauung mit Elementen
des Konfuzianismus.
Die neue Religion
Am
Hof in Peking hatte man von den wissenschaftlichen und technischen Fähigkeiten
der Jesuiten in Macau erfahren. Vier Jahr nach Ankunft in der portugiesischen
Kolonie (1619) war Schall in der Lage auf Chinesisch zu predigen. Man lud ihn und
eine Gruppe weiterer Jesuiten in die Hauptstadt ein.
Die
Mönche bildeten unter Schall eine Gemeinde, in deren Religion chinesische
Ansichten, Lebensgewohnheiten und Riten mit christlichen Anschauungen und
Lebensgestaltungen eine Symbiose eingingen. Die Beibehaltung der Ahnenverehrung
bei christlich getauften Chinesen und auch die von den Jesuiten benutzte Gottesbezeichnung
"Tientschu" (Herr des Himmels) bescherte der neuen Gemeinde ein
starkes Wachstum, rief jedoch bei den ebenfalls in Peking weilenden
Dominikanern und Franziskanern Ablehung, gewiss auch Mißgunst hervor. Der
ersten Beschuldigungen erreichten Rom.
Gelehrter am
chinesischen Hof
1640
übersetzte Schall Georgius Agricolas „De re metallica“ ins Chinesische und stellte
das Werk am Kaiserhof vor. 1642 lenkte er die Produktion von hundert Kanonen
für das Kaiserhaus. 1644 wurde er nach einer wiederholt erfolgreichen
astronomischen Prognose zum Präsidenten des kaiserlichen astronomischen
Instituts berufen.
Seine
Nachfolger in der Mission, die Männer die ihn für ihn sprachen als er nicht
mehr selbst agieren konnte – sie besaßen nicht das Format eines Schall von
Bell.
Väterlicher Freund des
Kaisers
Kaiser Shunzi [Quelle: wikipedia.org] |
Zwischen
1651 und 1661 war er der wichtigsten Berater des ersten Mandschu-Kaisers
Shunzhi dem, 1644 als Kind auf den Thron gekommen, Schall ein väterlicher
Lehrer war. Shunzhi beförderte den deutschen Gelehrten 1658 sogar zum Mandarin 1.
Klasse.
Die
Mandschu waren die neuen Herrscher eines Imperiums, dass flächenmäßig alle Reiche
in Europa in den Schatten stelllen sollte. Ausgehend von der Mandschurei gelang
ihnen nicht nur die Etablierung einer neuen 250 Jahre dauernden Herrscherdynastie
in Peking, sondern auch die militärische Kontrolle über die Mongolen, über Taiwan,
Tibet und Kirgistan. Die Königreiche in Vietnam, Korea und Thailand und Myanmar
waren ihnen tributplichtig.
Das Spiel mit der Macht
Shunzi hatte keine auswärtigen Gegner mehr. Die Gegner des Sechsjährigen waren die Weggefährten seines Vaters, Anhänger der
gestürzten Han-Kaiser, Unzufriedene in den eigenen Reihen – vielleicht auch diese
seltsamen gelehrten Mönche aus dem Westen? Das Mönchtum war den Chinesen bekannt,
die wissenschaftlichen Kenntnisse der Jesuiten schätzten man sehr. Schall von
Bell hatte erfolgreich einen niederländischen Angriff auf die portugiesische
Kolonie Macau abgewehrt.
Chinu in der Mandschudynastie [Foto: wikipedia.org] |
Der
gelehrte Jesuit wurde zum Prinzenerzieher bestellt. Mit der Ausarbeitung eines neuen Kalenders sicherte er auch die ideologische Implementierung der Mandschu-Kaiser. Der erste europäische
Mandarin der Geschichte erwirkte die Einrichtung einer katholischen Kirche in
Peking sowie die Bekehrung der Kaiserin und des Kronprinzen zum Chrsitentum –
Zum Christentum des Adam Schall von Bell.
Krankheit und Untergang
Der
junge Kaiser selbst blieb dem Buddhismus treu. Nach dem Tod seiner Lieblingskokubine folgte
er dem Beispiel seines väterlichen Feundes und ging in ein Kloster. 23 Jahren starb
er - wahrscheinlich an den Pocken. So kam es 1661 zu einer Situation, die genauso auch an
einem europäischen Königshöfen hätte stattfinden können: War der Thronfolger zu
jung, kam es zum Kampf um die Kontrolle über ihn. Es ist ein Wunder, dass
Shinzus Sohn überlebte und später zu einem der wichtigsten Mandschu-Keiser
aufsteigen sollte.
Der
69jährige Schall von Bell behielt zunächst seine Ämter. Das Ende seines
Einflusses wurde jedoch kurz darauf durch die offizielle Anklage gegen ihn im Vatikan
eingeleitet. Die Häufung zahlreicher weltlicher Ämter war den konkurrierenden
Orden schon lange Zeit ein Dorn im Auge gewesen. Doch nun, in dem Machtvakuum
vor dem Kampf um den chinesischen Thron war Adam Schall von Bell unfähig sich
den Beschuldigungen aus Europa zu erwehren.
1664
erlitt er einen Schlaganfall, durch den er sein Sprechvermögen verlor. Das nutzten
seine Gegner am Hof, um ihn zu beschuldigen, seinerzeit den Tod des Herrschers
provoziert zu haben.
Die
Anklage, die auch andere Jesuiten betraf, lautete auf Hochverrat, auf
Zugehörigkeit zu einer mit der rechten Ordnung unvereinbaren
Religionsgemeinschaft und auf Verbreitung falscher astronomischer Lehren.
Schall
wurde über den Winter 1664/65 eingekerkert. Nicht angeklagte Jesuiten wurden
nach Kanton ausgewiesen. Am 15. April 1665 wurde Schall nach einem Schauprozess
für schuldig befunden.
Adam Schall von Bell –
ein Universalgelehrte in der größten Umbruchzeit der Menschheitsgeschichte
Das
China Adam Schall von Bell war auf dem Gipfel seiner politischen Macht. Doch
für die Han-Chinesen war das Reich nichts weiter als die Besetzung Chinas durch die Mandschu-Kaiser
und deren Volk aus dem Norden. 1912, während der chinesischen Revolution, war
das Abschneidens des Zopfes ein Symbol der Befreiung von dieser verhassten Dynastie
– die Aufhebung einer Frisurenverordnung der Mandschu. Heute bringt man
Vorschriften für das Haupthaar nur mit Machthabern à la Kim Jong-Un in Verbidung.
Doch obwohl man sich damals am Hof solcher archaischer Methoden zur Vereinheitlichung
der Menschen in einem Riesenreich bediente, war die Arbeit der Jesuiten unter
Adam Schall von Bell auch eine Zeit des wissenschaftlichen Austausches zwischen
Europa und China.
Adam
Schall von Bell war kein Max Plnack-Physiker, der als Post-Doc in China arbeitete
und am Ende auf den Physiknobelpreis hoffen durfte. Er war ein kaltblütiges und
geniales Universalgenie, ein Wissenschaftler im Kampf um die Macht.
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