Montag, 24. Februar 2014

Warum haben Sie nicht einfach aufgegeben?

Zeitzeugengespräche mit Schülern

"Hatten Sie nicht voll Wut auf diese Typen?" -  Seydanur hat viele Fragen nach dem Vortrag. Immer wieder hackt sie nach - wie es sein kann, dass Yolanda Entz nicht an Hass und Trauer zerbrochen ist, wo sie sich versteckt hat, was sie nach der Befreiung gemacht hat. Die fast 90jährige Dame, die in der Zeit des Nationalsozialismus als "Halbjüdin" verfolgt wurde, sitzt ihr am Tisch gegenüber und versucht, die Fragen nach ihrem Mut und ihrer Verzweiflung - als sie so alt war wie Seydanur - zu beantworten.

Die Schulklasse nimmt an einem Zeitzeugengespräch im Kölner Hotel "Residenz am Dom" in Köln teil. Bei Kaffee und Kuchen haben sich ungefähr 20 ältere Damen und Herren sowie 21 Schüler der neunten Klasse einer Hauptschule aus Köln im Restaurant des Hotels versammelt. Schon das Ambiente ist ungewöhnlich und verunsichert viele der Schüler. Ich treffe sie sonst nur in ihrem Klassenraum zum Geschichtsunterricht, nun löchern sie Frau Entz am Kaffetisch mit Fragen. Im Vorfeld des Besuches hatte ich der Klasse das Kölner NS-Dokumentationszentrum gezeigt. Dort erfuhren sie, wie man mit den von Köln zum Ghetto Litzmannstadt (Lodz, Polen) deportierten Juden umgegangen ist, wie über die Hälfte der 2000 Deportertierten im Herbst 1941 direkt erschossen wurden. "Echt assozial" meinte Murat.

Vielleicht ist es die ungewöhnliche Umgebung, vielleicht ist es der anschauliche Erzählstil der heutigen Zeitzeugin - Als Yolanda Entz berichtet, wie sie die SS-Männer in einem Zugabteil ansprachen, sie jedoch keinen Schülerausweis dabei hatte weil sie auf der Flucht von Berlin zu Bekannnten in Süddeutschland war - ist es absolut ruhig im Raum.

Zeitzeugengespräche können den Geschichtsunterricht nicht ersetzen, ihn jedoch sehr gut ergänzen. Viele der Schüler dieser neunten Klasse haben an diesem Tag im Begegnungscafé zum ersten Mal einen Menschen jüdischen Glaubens kennengelernt. Nun erzählt Yolanda Entz von diesem Glauben und wie sie durch ihn überlebt hat. Gott habe sie beschützt.
 "Gott beschützt uns alle" fügt Seydanur hinzu.


Vom 8. Juni bis 17. Juni 2014 wird Thomas Geve aus Haifa für mehrere Zeitzeugengespräche nach Köln kommen. Die Treffen mit verschiedenen Schulklassen aus Köln und Umgebung finden im Rahmen der Ausstellung 
"Es gibt hier keine Kinder - Auschwitz, Groß Rosen und Buchenwald - Thomas Geve - Zeichnungen eines 15-jährigen" 
im Kölner NS-Dokumentationszentrum statt.
Buchung einer Führung über den Museumsdienst der Stadt Köln:

Thomas Geve zeigt Schülern die in den Arm tätowierte Häftlingsnummer [Foto: Tanja Bosch]

Im April 1945 wurde Thomas Geve im Konzentrationslager Buchenwald befreit. Auf Urlaubsanträgen der KZ-Auseher hatte er als 15-jähriger seine Eindrücke von Folter und Haft gezeichnet. Im Rahmen einer Sonderausstellung werden vom 9. Mai bis 3. August 75 dieser Zeichnungen im Kölner EL-DE-Haus, dem NS-Dokumentationszentrum gezeigt.

Film - Als Kind im KZ
Thomas Geve zu Besuch in der Gedenkstätte Buchenwald
Bericht über das Projekt "Als Kind im KZ" - Gera, November 2013

Informationen über das Erzähl- und Begegnungscafé
für NS-Verfolgte
Restaurant im „Residenz am Dom“

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