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Die flüchtigen Begegnungen während der letzten großen Urlaubsreise liegen schon lange zurück. Die abgerissenen Hosen, die unschuldigen Blicke und die schmutzigen Gesichter waren dort allgegenwärtig. Doch die Erinnerung an die Begegnungen mit ihnen verblassten im Alltag. Sorge und Glück halfen, sie zu vergessen. Doch sind sie wirklich aus unserer Welt verschwunden? In Denpasar, La Paz oder Mombasa konnte man ihnen nicht entkommen. Ist es uns in unserer Heimat, wo es keine von ihnen gibt, gelungen?
Jorge Amado ist einer der großen brasilianischen
Erzähler. In sechs Romanen hat er das Leben in Bahia, seiner Heimat, präzise
und schonungslos, jedoch auch poetisch und liebevoll beschrieben. So auch in
seinem 1974er Werk „Herren des Strandes“.
Die Helden des Buches leben in einer verlassenen Halle fern ab der belebten
Straßen von Salvador de Bahia. Sie sind Diebe, Vergewaltiger, Mörder, Betrüger und
vor allem unschuldige Kinder, die von ihren Eltern, dem Staat - von uns allen -
in Stich gelassen wurden. Amado beschreibt ihr Leben in einer losen
Aneinanderreihung komischer, tragischer und spannender Kurzgeschichten. Die 14
bis 16jährigen um ihren Anführer Pedro Bala leben in absoluter Freiheit und
sind doch gleichzeitig Gefangene der absoluten Zwanglosigkeit. Die Gruppe schläft,
klaut, lacht und spielt zusammen. Als Herren des Strandes sind sie der
Schrecken der Stadt, ein Haufen Halbwüchsiger, die niemand findet und die doch
überall zugegen sind. Niemand kennt Bahia besser als diese Kinder, die niemals
eine Kindheit hatten.
Jorge Amado beschreibt die Menschen einer brasilianische
Stadt, deren Lebensfreude, Tragödien und sommerliche Wärme aus den 284 Seiten
hervorzuquellen scheinen. Jede der Kurzgeschichten ist in sich abgeschlossen.
Darum eignet sich das Buch perfekt für die Leser, die nur selten mit Pedro
Bala, Hinkebein oder Jao Grande durch die Straßen streunen können. Liest man es
jedoch in einem durch, dann wird man schnell die Straßenkinder aus seinem
eigenen Urlaub wiedererkennen. Sie sind nicht wirklich hinter dem Stacheldraht
des Flughafengeländes zurückgeblieben. Sie ziehen auch jetzt laut lachend durch
die Straßen und versuchen in unserer Welt zu überleben.
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