Montag, 26. November 2012

Musik als Waffe

Foto: robynthinks.blogsport.de
Im Jahr 2003 wurde bekannt, dass die US-Armee Kriegsgefangene tagelang mit Musik folterte. Neun Jahre später, am 20. November 2012, wurde der deutsche Fernsehfilm Musik als Waffe mit einem Emmy Award ausgezeichnet.  Die International Emmy Awards sind ein Ableger der US-Emmys, des wichtigsten Fernsehpreises der Welt.
In dem Dokumentarfilm von Tristan Chytroschek aus dem Jahr 2010 sieht man, wie der Komponist Christopher Cerf, der über 200 Lieder für die Sesamstraße komponiert hat, mit Beteiligten und Opfern der psychologischen US-Kriegsführung spricht. Auch seine Lieder hatte man ohne sein Wissen für Vehöre der Gefangenen in Guantanamo Bay benutzt.
Die weltweite Verhaftungswelle nach dem 11. September führte nicht nur dazu, dass Foltermethoden wie das "Waterboarding" systematisch angewendet wurden, sondern auch amerikanische Musik aller Genres zum Einsatz kam, um angebliche oder echte Terroristen zur Herausgabe ihrer Informationen zu zwingen. Im Film wird ein CIA-Bericht zitiert, der es den Verhörenden empfiehlt, "Musik so laut wie eine Schnellstraße 18 Stunden am Tag" oder in der Lautstärke eines "Presslufthammer aus nächster Nähe für zwei Stunden" anzuwenden. Gefangene berichten, dass zwei Lieder gleichzeitig abgespielt wurden - und zwar in Endlosschleife.
Den kompletten Film können Sie sich/könnt Ihr Euch auf youtube anschauen:
Beim Einsatz von Musik handelt sich um eine Jahrtausend alte Methode der Kriegsführung, die jedoch erstmals durch die Chinesen und Nord-Koreaner während des Korea-Krieges (1950-1953) systematisch eingesetzt wurde. Die darauffolgende Analyse dieser Metode durch die CIA führte dazu, dass die US-Amerikaner viele Methoden übernahmen und weiterentwickelten. Ziel: Schwächung der Gefangenen. Dabei reiht sich der Einsatz von Musik in einen regelrechten Maßnahmenkatalog ein, der dazu dient, den Menschen über die Behinderung der selbstgesteuerten Sinnesaufnahme (darum auch Handschuhe und Gesichtsmasken) von der Außenwelt zu isolieren. Außerdem hält Lärm den Gefangenen wach - ein weiteres Ziel der Vorbereitung von Verhören.
In Musik als Waffe werden auch neu entwickelte Schallkanonen der Firma HPV Technologies vorgestellt, die erstmals im Jahr 2009 gegen Demonstranten am Rande des G-20-Gipfels in Pittsburgh zum Einsatz kamen. Die Firma lobt ihre technische Entwicklung, die das Trommelfell zerstört sowie Panik und Verwirrung auslöst, als einen weiteren "bedeutenden Schritt in Richtung moderner Kriege ohne Todesopfer."
Christopher Cerf besucht auch die US-amerikanische Hardcore-Metallband "Drowning Pool". Deren Lieder erfreuten sich sowohl im Irak-Krieg (2003-2011) als auch in Guantanamo Bay als Soundtrack für Menschenrechtsverletzungen großer Beliebtheit. Die Band weigerte sich allerdings, eine konkrete Stellungnahme zur Verbindung iher Musik mit dem Thema Folter abzugeben. 
 2006, vor der Interviewanfrage für den Film Musik als Waffe, äußerte sich Bassist Steve Benton von Drowning Pool für das Spin Magazine wie folgt zu diesem Thema:
"People assume we should be offended that somebody in the military thinks our song is annoying enough that played over and over it can psychologically break someone down." [...] "I take it as an honor to think that perhaps our song could be used to quell another 9/11 attack or something like that."
In dem sehr gut recherchierten und sehenswerten Film wird jedoch nicht auf eine Initiative von US-Musikern mit dem Namen "Zero dB"  aufmerksam gemacht, die eindrucksvoll zeigt, dass sich Künstler wie die Bandmitglieder von Rage Against the Machine oder den Red Hot Chili Peppers gegen einen Mibrauch ihrer Musik wehren und die US-Regierung öffentlich dazu aufrufen, ihre Lieder nicht für die Folter zu mißbrauchen.
Rage Against the Machine protestieren gegen Folter in Guantanamo Bay, Foto: Chiaki Nozu/Filmmagic.com/Getty Images

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